WHAT WE DREW

Yaeji

Mit ihrer ersten, physischen Veröffentlichung liefert die koreanisch-US-amerikanische Produzentin und Sängerin Kathy Yaeji Lee, alias Yaeji, ein einzigartiges Kunstwerk ab, welches in der aktuellen Situation wie Balsam auf die zerstreute Seele des Hörers wirkt und Lust auf mehr macht.

Von Sergej Stutz

Hätte ich die Ehre, eine Auszeichnung für das beste Boiler-Room-Set zu vergeben, dann würde ich sie Yaeji geben. Die 26-jährige New Yorkerin verzaubert sogar auf YouTube die Zuschauer und stellt alle anderen Sets dieser Reihe in den Schatten. Im rund einstündigen Video versetzt sie mit ihrem unnachahmlichen Sound die anwesenden Raver in absolute Ekstase.



Kathy Yaeji Lee ist ein Unikum in der gesamten DJ-Landschaft und verdient Aufmerksamkeit und Respekt. Wenn sie das Mikrofon bei ihren Sets in die Hand nimmt, blitzt sie stets mit einer unvergleichlichen Bühnenpräsenz auf – ihre Stimme ist trotzig, auch wenn sie oft fast im Flüsterton singt. Ihr Ton ist voller Melodie und kantig, der Flow erinnert an Rap und die Darbietung und Energie an die House-Legende Nina Kraviz.

Obwohl ihre Live-Auftritte in den Clubs und an den Festivals (war im Jahr 2018 fester Bestandteil des Coachella-Festivals) sehr aufgeschlossen und progressiv erscheinen, wirkt ihre Musik ohne Live-Darbietung meist sehr ruhig, introvertiert und melancholisch. Das ist auch auf dem in diesem Monat erschienenen Album «What We Drew» nicht anders. Beim ersten Hören wirkt das Debüt der US-Koreanerin wie eine weisse Leinwand, die Musik fad und ohne positive oder negative Emotionen. Doch je mehr Zeit der Hörer «What We Drew» widmet, entdeckt er vollkommen neue Facetten als Teil ihrer Musik - der Sound erscheint warm und stets zum Tanz auffordernd, wie dies die beiden Tracks Money Can’t Buy und Waking Up Down am besten repräsentieren. Yaeji schafft es, mit ihrem stets zwischen Englisch und Koreanisch gehuschten und wechselnden Gesang in eine eigene, verträumte Welt zu lenken - Yaeji’s Universum dankt mit Tiefe, Vielfalt und Freude zurück.



«What We Drew» ist ein persönlicher Soundtrack für diese aktuell komplizierte und ungewisse Zeit und widerspiegelt diese Phase, in der man an einem sonnigen Tag ängstlich aus dem Fenster schaut und hofft, dass dieser Spuk irgendwann mal enden wird. Und bis zu diesem Zeitpunkt tanzt man zu Yaeji’s Tönen vor seiner Musikanlage immer wieder heiter weiter.

Die besten Songs:

When I Grow Up
Money Can’t Buy
Waking Up Down
Never Settling Down